Andreas Felber

Soziale Abtrünnigkeit, ästhetische Kontinuität

Karlheinz Essl im Komponistenporträt im Porgy & Bess:
Seine letzte österreichische Präsentation als Tonsetzer liegt beinahe acht Jahre zurück

2005


  Wien - Komponistenporträts im Jazzclub-Ambiente kommt in Wien mittlerweile kein wirklicher "Augenbrauenheber-Effekt" mehr zu. Was im Kontext der Werkschau, die das unverwüstliche Ensemble XX. Jahrhundert unter Peter Burwik am Montag im Porgy & Bess ausrichten wird, ungewöhnlich anmutet, ist die Person selbst, der sie gewidmet ist: Karlheinz Essl gilt als Abtrünniger des zeitgenössischen Musikbetriebs. Seine letzte österreichische Präsentation als Tonsetzer liegt beinahe acht Jahre zurück, sie fand 1997 im Rahmen der Next Generation-Reihe der Salzburger Festspiele statt.

Kein Zufall. Denn dieser von der Öffentlichkeit akklamierte "Höhepunkt einer Komponistenkarriere klassischen Zuschnitts", so Essl, bedeutete für ihn "beinahe einen Absturz": "Ich bin danach in ein tiefes Loch gefallen. Mir wurde meine isolierte Situation als Komponist bewusst, der allein am Schreibtisch sitzt und Partituren notiert."

Der Weg aus der Krise führte über die Rückbesinnung auf seine Jugendjahre, als er in Rockbands mit der E-Gitarre lärmte und klassischen Kontrabass studierte. Als neuer "Anschluss" an die Musikwelt fungierte nun die Elektronik.

Essl, der vom Ensemble InterContemporain, dem Ensemble Modern und dem Klangforum Wien aufgeführte, komponierende Hoffnungsträger, entwickelte mit m@ze°2 ein Software-Instrument, das ihm rasche Einflussnahme auf musikalische Abläufe ermöglichte, klemmte seinen Laptop unter den Arm und wurde fortan an für seinesgleichen unüblichen Örtlichkeiten gesichtet: "Meine Feuertaufe mit m@ze°2 erlebte ich 1998 im Rhiz, anlässlich eines Konzerts mit Christian Fennesz. Wobei ich vom internationalen Hype um die Wiener Elektronik nichts wusste."

Franz Hautzinger, Burkhard Stangl wie auch Richard Barrett hießen in der folgenden Zeit einige der bevorzugten Spielpartner, 2001 erschien im Eigenverlag die CD ©rude u. a. mit Boris Hauf und Bertl Mütter. Die Neuorientierung bedeutete indes keinen ästhetischen Bruch. Was erklärt, weshalb sich der 45-Jährige, der auch das Musikprogramm in der elterlichen Sammlung Essl in Klosterneuburg kuratiert, am Montag mit Werken präsentiert, deren jüngstes, das nach einem Gedicht Ingeborg Bachmanns benannte ...wird sichtbar am Horizont, aus dem Jahr 1996 datiert.

"Ich bevorzuge einen sinnlichen Zugang zum Klang. Der aber keine Glasur, keine Oberfläche sein, sondern aus dem strukturellen Inneren kommen soll. Insofern haben diese Werke für mich immer noch Gültigkeit", so Essl. "Die Beschäftigung mit Improvisation und Elektronik hat mich reich gemacht; was ich in nächster Zeit möchte, ist, die zwei Welten wieder zu verbinden."


in: DER STANDARD, 8. April 2005


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Updated: 1 Jan 2018

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