Foto: Helmut Lackinger, 2004
Für den Komponisten Karlheinz Essl ist Musik der Versuch, einen Traum zu realisieren. Etwas, das unbekannt, das verborgen und nicht greifbar ist zu erforschen und ihm eine sinnlich wahrnehmbare Form zu geben. Karlheinz Essl: "Mein Traum von Musik realisiert sich nicht schnell, sondern braucht unglaublich viel Zeit und bedeutet ein ständiges Weiterträumen und Weiterdenken; ein Weiterfühlen, bis das Bild des Traumes dann irgendwann so konkret wird, dass man es fast zu fassen glaubt."
Beim Donaufestival 2004 hat Karlheinz Essl zusammen mit dem Berliner Lichtkünstler Rainer Gottemeier eine Klanginstallation realisiert. SEELEWASCHEN nannten die beiden Künstler diesen Mediationsraum. Im Hafenbecken der ehemaligen Werft Korneuburg verankert Rainer Gottemeier Leuchtbojen, die das Sternzeichen der Wasserschlange darstellen sollten. Karlheinz Essl schuf den Klangraum dazu. Seine Komposition war als Klangschleife konzipiert. Mit Hilfe des Zufallsgenerators kombinierte er auf dem Computer die eingespeicherten Klänge, sodass 3 Wochen - Tag und Nacht - ein sich ständig veränderndes Klanggewebe entstand.
"Die Komposition basiert auf einen einzigen Glockenklang, den ich aufgenommen habe. Aus diesem Klang habe ich drei verschiedene Arten von Klangtypen konstruiert. Die einfachste Form davon ist ein Klang ohne Eigenzeit: ein Impuls, der sofort wieder verlöscht. Das genaue Gegenteil - die Antipode - dazu ist der unendliche Klang, der mit einer Glocke auf akustischem Wege nicht erzeugt werden kann, wohl aber mit elektronischen Mitteln: ich habe mich gleichsam in den Glockenklang hineinmikrokopiert und ihn quasi eingefroren. Der dritte Klangtyp ist die Vermittlung der beiden zuvor genannten Antipoden: dem Punkt und der Fläche."
Der Komponist Karlheinz Essl hat sich auch vom Werk des Malers, Regisseurs und Aktionisten Hermann Nitsch inspirieren lassen. In der Komposition "Le mystère d'orgue" hat Karlheinz Essl sein Klangmaterial in den Inszenierungen des Orgien-Mysterien-Theaters gefunden.
"Konkret bei Nitsch waren dies Klänge, die aus dem Umfeld seines "Sechstagesspiels" stammen. Ich habe gewusst, dass er dort u.a. Gregorianischen Choral singen ließ, dass Blasmusik vorkam, dass eine Glocke zu bestimmten Zeiten geläutet hat und dass es eine Orgel gab, die einen bestimmten Akkord die ganze Zeit ausgehalten hat - das waren die Elemente, die ich im Sinne von objets trouvèes verwendet habe."
Klänge, Töne und Geräuschsequenzen waren das Material, dass Karlheinz Essl gesammelt hatte. Der kreative Akt bestand nun darin, diese Elemente miteinander zu kombinieren.
"Ich habe für mich ein Klassifikationssystem von Klängen entwickelt, das wie eine Grammatik funktioniert. Das ist mein strukturelles Bezugssystem, mit dem ich arbeite. Auch bei der Nitsch-Installation: Da gab es Klänge, die nach ganz bestimmten strukurellen Gesichtspunkten klassifiziert wurden, die ich sozusagen in mein grammatikalisches System einsetzen konnte - wie kleine Figuren, die man in einen Setzkasten stellt. Allein die verschiedenen Klangmaterialien in ihrer Unterschiedlichkeit nebeneinandergestellt ergeben keinen Sinn und sprechen auch nicht zu uns. Sie müssen erst zur Sprache gebracht werden durch ihre strukturelle Vermittlung. Und dies ist letztlich die Arbeit des Komponisten - das war bei Brahms genauso wie bei Bach.
Das Schöne an der Klanginstallation für Hermann Nitsch ist der Umstand, dass diese Arbeit nicht am Papier ausnotiert wurde und kein reproduzierbares Werk ist, das man von einer CD abspielt. Es besteht aus einem Computerprogramm, das ich dafür geschrieben habe, wo die einzelnen Elemente ständig neu miteinander abgemischt und in Beziehung gebracht werden. Das Tolle beim Arbeiten war der permanente Kontakt mit dem Klang. Ich war wirklich völlig in dem Klang drinnen und konnte sofort eingreifen und die Systemparameter des Programms so verändern, dass letztlich genau das erklingt, was ich mir erträumt hatte."
Radiokolleg Musik & Traum 4-teilige Sendereihe von Margarethe Engelhardt-Krajanek Ö1, 29.11. - 02.12.2004 |
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Updated: 7 Jan 2018