Karlheinz Essl
Prunksaal der Österreichischen Nationalbibliothek: Deckenfresko mit Kaiser
© 2014 by Karlheinz Essl
Österreichische Nationalbibliothek, Prunksaal
Josefsplatz 1
1010 Wien
Eine Kooperation der Österreichischen Nationalbibliothek und der MDW
Lehrende und Studierende der MDW. Collegium musicum der MDW
Elektroakustische Kompositionen: Klasse Karlheinz Essl
Künstlerische Gesamtleitung: Ingomar Rainer
Die Auseinandersetzung mit dem 1649 entstandenen Drama musicum des Habsburgerkaisers Ferdinand III. stellte für die Studierenden meiner Kompositionsklasse eine ungewöhnliche Herausforderung dar. Gewohnt, mit neuesten Technologien zu arbeiten und Zukünftiges zu gestalten, unternahmen wir diesmal eine Zeitreise ins 17. Jahrhundert. Diese Epoche war einerseits geprägt vom Dreißigjährigen Krieg mit seinen massiven politischen und sozialen Umwälzungen, aber auch von einem wuchernden enzyklopädischen Denken, das die unterschiedlichsten Aspekte unserer Welt akribisch unter die Lupe nahm. Die Ansicht, dass in der Natur kein Ding existiert, das nicht durch Analogie mit den anderen verbunden wäre, war das Leitmotiv des großen Universalgelehrten Athanasius Kircher, dessen Motto Omnia in omnibus lautete. Ob es sich um den Entzifferungsversuch der Hieroglyphen, Überlegungen zum Festungsbau, die Konstruktion einer Äolsharfe oder die Entwicklung der Komponiermaschine Arca Musarithmica handelte – Kirchers überbordendes chaotisches Denken mag heute als unwissenschaftlich und spekulativ gelten, war für uns aber eine Quelle der Inspiration. Die labyrinthische Verknüpfung von Alt und Neu, analog und digital, Zeit und Raum, Klang und Bild sind heute zentrale Themen der aktuellen künstlerischen Diskussion, die sich – ausgehend vom Diskurs der Moderne – zu einem polyvalenten und vernetzten Denken weitertransformiert hat.Das von Athanasius Kircher hochgelobte Drama musicum ist ein durch und durch strenges Werk ohne jeden Humor, durchdrungen vom Geist eines Feldherren, der keine Unordung duldet und die Kontrolle bewahren muss. Alles hat eine eindeutige Funktion und Richtigkeit, und am Ende siegt naturgemäß das Gute über das Böse. Dieses recht betuchliche Setting wird aber durch neu komponierte elektronische "Intermedien" aufgebrochen, die als Kommentare oder Interventionen verstanden werden können und eine Differenz darstellen, um ein neues Licht auf das Drama musicum zu werfen.
Trailer des Drama musicum
Youngkwang YANG (*1982 in Seoul, Südkorea) projiziert typische Geräusche der Wiener Innenstadt in den Kuppelsaal der Österreichischen Nationalbibliothek und transformiert diese in eine gleichsam "barocke" Klangwelt. Mit akustischen Mitteln erzeugt er einen Übergang zwischen unserer alltäglichen Lebenswirklichkeit und der abgehobenen Allegorie des Drama musicum.
Seit 2001 Kompositionsstudium bei Seoungwoo Paik Kyungwon Universität in Seoungnam sowie Dirigierunterricht bei Donghyuk Kim an der Seijong Universität in Seoul. 2009-2013 Masterstudium für Komposition am Mozarteum Salzburg bei Adriana Hölszky und Tristan Murail. Seit 2012 postgraduales Kompositionstudium an der MDW bei Karlheinz Essl.In Rafal ZALECHS (* 1988 in Breslau, Polen) Beitrag wird eine zuvor gespielte Streichersonate kompositorisch dekonstruiert; daraus entwickelt sich in leidenschaftlicher Dialog zwischen der vom Komponisten selbst gespielten Solobratsche mit einem von ihm geschriebenen Computerprogramm, das seine Klänge in Echtzeit verarbeitet.
Zalech erhielt bereits mit 7 Jahren ersten Violin - und Klavierunterricht. Absolvierte ein Bratschen- und Kompositionsstudium an der Musikakademie Breslau mit Auszeichung. Fortsetzung seiner Studien ab 2010 an der MDW: Viola bei Wolfgang Klos und elektroakustische Komposition bei Karlheinz Essl. Auftritte mit verschiedensten Ensembles (u.a. Klangforum Wien, Phace, Vistula Quartett) in ganz Europa. Zahlreiche Stipendien und Preise.Bärbel ZINDLER (* 1956 in Hamburg) reagiert mit ihrer KlangSchreibMaschine auf das folgende Rezitativ des Amor divino. Der Text wurde zunächst in seine Buchstaben zerlegt und diese mit transformierten Cembaloklängen verknüpft. Beim "Tippen" der Vokale breiten sich melancholische Klangstrukturen aus, während die Konsonanten harte Klangpartikel in den Raum schleudern.
Sie studierte bildende Kunst in Bremen und Zürich. 2013 schloss sie ihr Studium der elektroakustische Komposition an der Zürcher Hochschule der Künste bei Germán Toro-Pérez mit dem Master ab. Seit 2013 postgraduales Kompositionsstudium bei Karlheinz Essl an der MDW.Clio MONTREY (* 1985 in Calgary, Kanada) nimmt in ihrer Performance The Dual Muse die Arie des Giovinetto vorweg. Aus ihrer Stimme, einem Megaphon und elektronischen Klängen, die aus einem tragbaren Lautsprecher abgestrahlt werden, entwickelt sich ein Mini-Drama, das die Zerissenheit des unerfahrenen Jünglings thematisiert: Welche Liebe wird er wohl wählen?
Montrey studierte Komposition an der McGill University in Montreal und am Konservatorium in Wien bei Christian Minkowitsch. Daneben auch Klavier- und Gesangsausbildung und Absolvierung des Lehrgangs Operette am Wiener Konservatorium. Studiert derzeit postgradual Komposition bei Karlheinz Essl an der MDW. 2012 Kompositionsstipendium des Bundesministeriums für Unterricht, Kunst und Kultur. Arbeitet als Komponistin und Vokalperformerin.Alexander CHERNYSHKOV (* 1983 in Omsk, Russland) bringt mit selbstgebauten elektromechanischen Klangerzeugern den Kuppelsaal zum Vibrieren: eine seltsame Maschine aus computergesteuerten Motoren und Relais, mit der der Komponist auf die spezielle Akustik des Raums und die kompositorische Struktur des Drama musicum reagiert.
Chernyshkov übersiedelte mit 12 Jahren nach Verona. Gitarrist in verschiedenen Jazz- und Rockbands. Studierte zunächst klassische Gitarre, Muisktheorie und Komposition in Verona. Seit 2007 Kompositionsstudium an der MDW bei Chaya Chernowin und Karlheinz Essl. Teilnahme an den Darmstädter Ferienkursen für Neue Musik. Zusammenarbeit u.a. mit den Ensembles musikFabrik (Köln), Nikel (Tel Aviv) und Phace (Wien). Entwickelte eigene elektro-mechnische akustische Instrumente und arbeitet auch als Performer.Alessandro BATICCI(* 1991 in Mailand, Italien) kombiniert zuvor aufgenommen Klangstrukturen aus dem Drama musicum zu neuen klanglichen Kontexten. Die radikale Restrukturierung und elektronische Transformation der barocken Klangfiguren erzeugt neue Räume und intensiviert den klanglichen Ausdruck an einer dramaturgische Schlüsselstelle des Stücks.
Zunächst Flöten- und Kompositionsstudium am Verdi-Konservatorium in Mailand, seit 2010 Studien an der MDW: Komposition bei Karlheinz Essl und Querflöte Barbara Gisler-Haase. Teilnahme an den Darmstädter Ferienkursen für Neue Musik. Zahlreiche Preise u.a. bei "Jugend Musiziert", erster Preis beim J. Dichtler Wettbewerb des Wiener Musikseminars 2012. 2011 wurde sein Werk "Season of the Livings" für Flöte und Elektronik bei der Universal Edition Wien veröffentlicht.Eine von Alper YAKIN (* 1980 in Istanbul) selbst gebaute Äolsharfe bildet das Klangmaterial für ein elektronisches Instrument, das auf einem eigens entwickelten und vom Komponisten gespielten Computerprogramm basiert. Die wechselnden Intensitäten des Windes und die damit einhergehende Veränderung des Klanges wird hier elektronisch simuliert.
Ausbildung zum klassischen Konzertgitarristen u.a. in Madrid, wo er auch das Flamencospiel erlernte. Seit 2007 Studium der Musik- und Jazztheorie. Seit 2010 Kompositionsstudium in Istanbul u.a. bei Pieter Snapper, das er mit einer Masterarbeit The Electric Guitar as a Tool for Composition and Performence in Contemporary Music abschloss. als Seit 2013 postgraduales Kompositionsstudium bei Karlheinz Essl an der MDW.
Iudicio (Mario Eder), Amor protervo (Karoline Pilcz), Meeri Pulakka (Amor divino), Giovinetto (Wilhelm Spuller)
© 2014 by Karlheinz Essl
Collegium musicum, Ltg. Ingomar Rainer
© 2014 by Karlheinz Essl
Elektronische Intervention von Bärbel Zindler
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Updated: 3 Jan 2023