Portrait
Karlheinz Essl

Aspekte des Seriellen bei Stockhausen

1989



Inhalt



Zwei Gefahren bedrohen unaufhörlich unsere Welt:
die Ordnung und die Unordnung.

(Paul Valéry)

Vorbemerkungen

Es mag manchem unzeitgemäß erscheinen, wenn ich mich heute über serielle Musik verbreite. Wurde doch von einer Unzahl "postserieller" Strömungen der Anspruch erhoben, diese überwunden zu haben. Was es aber mit dem Serialismus eigentlich auf sich habe, weiß keiner so recht. Die überlieferten Vorurteile gegen seine angeblichen Manierismen und Kopfgeburten sind uns bereits in Fleisch und Blut übergegangen. Ich behaupte hingegen, dass eine ernsthafte Auseinandersetzung kaum stattgefunden hat. Zu sehr war die Rezeption der fünfziger und sechziger Jahren vom Streit der unterschiedlichen ästhetischen Positionen überschattet. Heute jedoch, aus einer Distanz von nahezu vierzig Jahren, scheint es mir, als wäre ein neues Verständnis wieder möglich, das nicht allein an kompositionstechnischen Methoden festzumachen ist, sondern das Wesen der Sache selbst erfaßt.

Einer der wichtigsten Protagonisten und Vordenker des Serialismus begegnet uns in der Person Karlheinz Stockhausens. Neben ihm hat eine Reihe bedeutender Komponisten und Theoretiker die serielle Theorie und Praxis vorangetrieben. Stellvertretend seien hier nur Pierre Boulez, Gottfried Michael Koenig, Henri Pousseur und Heinz-Klaus Metzger genannt. Wenngleich sich die musikalische Denkweise des Serialismus als Produkt vieler Köpfe darstellt, so lassen sich seine Konzepte an Hand der Musik und der Schriften Stockhausens rekonstruieren.


Serialismus als Denkmethode

Die grundlegende Absicht der seriellen Musik liegt in der Vermittlung zwischen dem extrem Kleinen und dem extrem Großen - den akustischen Eigenschaften des Klanges ("Parameter" genannt) und der Gesamtform der Komposition. Dabei stellt sich das Serielle weniger als Technik denn als Methode musikalischen Denkens dar, die in der uralten Idee von der Versöhnung der Gegensätze wurzelt. Diese geht auf Pythagoras zurück und fand über Giordano Bruno und Spinoza Eingang in die Monadenlehre Wilhelm Leibniz'. Die Welt wird nicht mehr dualistisch vorgestellt und die Form nicht mehr aus apriorischen Gegensätzen entwickelt, sondern als Einheit aufgefaßt, die sowohl rational als auch mystisch erfahrbar ist. Gegensätze werden nicht mehr als widerstreitende Prinzipien, sondern verschiedenartige Ausprägungen desselben übergeordneten Aspekts aufgefaßt. Sie werden über Zwischenstufen vermittelt und bilden ein Kontinuum: eine Skala von Werten. Dadurch lassen sich Aspekte des Tonsatzes, die traditionell unmittelbar nichts miteinander zu tun haben - etwa Rhythmus und Klangfarbe - als Ausprägung ein und derselben Sache begreifen. Herkömmlicherweise wurde diese beiden "Parameter" auf verschiedenen Ebenen des Kompositionsprozesses organisiert, wobei das Rhythmische eindeutig über dem Klanglichen dominierte. Motivik als eine Funktion des Rhythmus trieb das musikalische Geschehen primär fort, während die Klangfarbe eingesetzt wurde, diese Vorgänge plastisch zu verdeutlichen. Im seriellen Denken lassen sich diese beiden Parameter als verschiedenartige Ausprägung zeitlicher Prozesse auffassen. Experimente im elektronischen Studio hatten gezeigt, dass rhythmische Pulsationen in Klang umschlagen kann, wenn man deren Abfolge beschleunigt. Diese Erkenntnis zeitigte wiederum Auswirkungen auf die Instrumentalmusik: die Klangflächenkompositionen György Ligetis und Friedrich Cerhas sind direkte Umsetzungen hiervon.

Der Serialismus ist eine Methode, unterschiedliche Kräfte auszubalancieren, wobei Extreme durch kontinuierliche Zwischenschritte vermittelt werden. Um die Einheit der verschiedenen musikalischen Bestimmungsgrößen ohne Zerstörung ihrer individuellen Elemente zu bewahren, werden diese demselben Organisationsprinzip unterworfen. Dabei handelt es sich um eine verbindliche Folge von Zahlenproportionen. Eine solche Abstraktion erwies sich als unumgänglich, zugleich aber als eminent fruchtbar: dadurch wurde es erst möglich, ursprünglich voneinander getrennte musikalische Aspekte miteinander in Beziehung zu setzen. Dies führte schließlich zum seriellen Formkonzept, in dem "Großform und alle Detailformen eines Werkes aus einer einzigen Proportionsreihe abgeleitet werden" (1).


Reihen

Die Funktion der Reihe wird häufig mißverstanden. Eines der Vorurteile gegen den Serialismus besteht in dem Vorwurf, dass man Reihenmanipulationen nicht hören könne. Nun erschöpft sich die aber Funktion der Reihe keineswegs darin, dass ihre Abläufe hörend nachzuvollziehen seien. Ebensowenig treten Atome und Elementarteilchen sichtbar in Erscheinung, obgleich sie dennoch das Universum konstituieren. Die Reihe ist vielmehr als ein Katalysator aufzufassen und dient zur Organisation eines komplexen musikalischen Organismus'. Ihre Elemente sind prinzipiell gleichberechtigt und in nicht-hierarchischer Weise organisiert, wodurch alle Reihenbestandteile ohne Bevorzugung bestimmter Elemente zum Zuge kommen. Dabei fungiert die Reihe als Steuerungsmechanismus: alles, was im Verlaufe einer Komposition in Erscheinung tritt, ist keimhaft schon in ihr enthalten. In einer seriellen Komposition entfalten sich nun die Reiheninhalte gemäß der angewandten Struktur- und Formprinzipien, die wiederum dem Basismaterial selbst (d.h. seinen grundlegenden mathematisch-abstrakten Proportionen) entstammen können. Stockhausen hat dies folgendermaßen zusammengefaßt: "Das Reihenprinzip besagt allgemein so viel, dass für eine Komposition eine begrenzte Auswahl von verschiedenen Größen getroffen wird, mit denen komponiert werden soll; dass aus diesen >>Urreihen<< weitere Reihenfolgen übergeordneter Gestalten komponiert werden, die wiederum reihenvariiert sind; dass die Proportionen der Reihe das umfassende Strukturprinzip des zu komponierenden Werkes sind und ihm die notwendige formale Konsequenz verleihen sollen" (2).

Historisch hatte sich dies in der von Arnold Schönberg formulierten Methode der Komposition mit zwölf nur aufeinander bezogenen Tönen - gemeinhin als Zwölftontechnik bekannt - angekündigt. Grundlage dafür war die schon Jahre davor proklamierte "Emanzipation der Dissonanz". Da der strukturelle Zusammenhang der Töne durch die Reihe bestimmt wird, brauchen diese nicht mehr länger den Zwängen der Tonalität Folge zu leisten. Die serielle Methode geht jedoch weit über die Tonhöhen-Vorordnung der Dodekaphonie hinaus. Die einzelnen akustischen Komponenten eines Klanges - neben der Tonhöhe auch Dauer, Lautstärke und Klangfarbe - werden unabhängig voneinander durch Reihen definiert. Isoliert betrachtet ist der einzelne Parameter ein Abstraktum: Lautstärke für sich kann nur im Bereich der nichtbegrifflichen Vorstellung existieren. Zu ihrer sinnlichen Erfaßbarkeit bedarf sie eines Mediums, d.h. eines anderen Parameters, etwa der Tonhöhe. Erst wenn die einzelnen Parameter aufeinander projiziert werden, entstehen aus abstrakten akustischen Bestimmungsgrößen musikalische Grundbausteine. Durch geeignete kompositorische Verfahren - die keine vorgefertigten Schablonen sind, sondern der jeweiligen Werkidee entspringen - können sich daraus wiederum Strukturen und formale Prozesse ausbilden.


Parameter

Das Denken in Parametern läßt sich als Weiterführung polyphoner Techniken – des Kanons zumal – deuten. Erinnert sei auch an die unabhängige Organisation von Tonhöhen und Dauern – als color bzw. talea – in der isorhythmischen Motette des 14. und 15. Jahrhunderts. Faßt man Polyphonie als das geordnete gleichzeitige Ablaufen selbständiger Stimmen auf, so treten im Seriellen die ineinandergreifenden Parameterschichten an Stelle der kontrapunktischen Stimmzüge. Hatte man in den Anfängen der seriellen Musik noch geglaubt, die einzelnen akustischen Parameter nach dem gleichen Schema organisieren zu müssen, so erkannten die Komponisten sehr bald, dass die einzelnen Parameter entsprechend ihrer eigenen Voraussetzungen zu differenzieren seien: als Ausdruck des angestrebten materialgerechten Denkens. Doch zuvor hatte Pierre Boulez in seiner berühmten Structure Ia (1951) für zwei Klaviere den Reihen-Schematismus bewußt auf die Spitze getrieben. In der Absicht, an die Grenze des Fruchtlandes zu gelangen, leitete Boulez alle Reihen für Dauern, Lautstärken und Anschlagsarten aus der Struktur einer Zwölftonreihe ab. Dabei hat eine zwölfgliedrige Tonreihe ihre Berechtigung allein schon dadurch, da sie alle chromatischen Töne beeinhaltet. Eine in Analogie dazu gebaute zwölfteilige Dauernreihe erscheint jedoch als willkürliche Konstruktion, die aus dem Material der Zeitdauern nicht zu rechtfertigen ist. Vollends absurd wird dies bei einer Reihe von zwölf Anschlagsarten oder zwölf Dynamikstufen, die kaum mehr differenzierbar sind. Experimente wie dieses aus der Frühzeit des Serialismus führten zu einer kritischen Durchleuchtung der kompositorischen Theorie. Das Serielle, ursprünglich als Unifikationstheorie konzipiert, verwandelte sich schließlich durch die Tendenzen des Materials selbst.

Der Terminus "Parameter" bezeichnet im seriellen Sprachgebrauch die akustischen Toneigenschaften Höhe, Dauer, Lautstärke und Klangfarbe. Mit der zunehmenden rationalen Durchdringung aller kompositorischen Teilaspekte wurde dieser Begriff auch auf übergeordnete Struktureigenschaften wie Dichtegrad, Gruppencharakteristik, Harmonik, Tonhöhenambitus etc. erweitert. Was als Parameter zu gelten hat, muß von Komposition zu Komposition jeweils aufs Neue definiert werden. Die Steuerung eines musikalischen Ablaufs durch Regelmechanismen, die als Reihenabläufe den verschiedenen hierarchischen Ebenen der Komposition eincodiert sind, bringt serielles Komponieren in die Nähe der Programmierung. In der Computermusik - gemeint ist jener Bereich, der auf die Generierung musikalischer Strukturen mittels elektronischer Datenverarbeitung abzielt – läßt sich von einer direkten Weiterführung der seriellen Denkweise sprechen. Hier seien vor allem Gottfried Michael Koenig genannt, der seit den 1960er Jahren damit beschäftigt ist, Kompositionstheorie als Computerprogramme zu formalisieren, und Iannis Xenakis, der sich seit den 1950er Jahren um die Übertragung naturwissenschaftlicher Gesetzmäßigkeiten auf musikalische Vorgänge bemüht.


Eine neue musikalische Syntax

Die Abstraktion des Kompositionsvorganges zielte auf die Schaffung einer neuen musikalischen Syntax, ohne sich auf die traditionelle Musiksprache zu beziehen. Vorbereitet wurde dies in der seit dem vorigen Jahrhundert zu beobachtenden Emanzipation des einzelnen musikalischen Elementes von seinen geschichtlich geprägten Zusammenhängen. Dem fiel zuletzt nicht nur die Tonalität, sondern auch alle musiksprachlichen Konventionen zum Opfer. An deren Stelle trat nun die Erfindung neuer Ordnungssysteme, die wiederum Teil des Kompositionsprozesses sind. Einzig und allein so konnte die Tradition noch gerettet und ins serielle Denken integriert werden: sie wörtlich wieder auferstehen zu lassen, verbietet diese von selbst. Ihrem Geiste Raum zu geben besteht nicht in der Reproduktion musikgeschichtlicher Entwicklungsstufen, sondern in der Verpflichtung zum Durchartikulieren des musikalischen Materials. Dies duldet wiederum nichts traditionell Vorgegebenes. Deshalb erschaffen sich die seriellen Komponisten nicht nur ihr Material, sondern dazu auch dessen Triebkräfte, da sie nicht länger bereit sind, "zu akzeptieren, was bereits vorgeformt existierte, das als Klang-Material die Komposition in eine Richtung drängte, von der sie sich ein für allemal losgesagt hatten" (3).

Das Bestreben nach Schaffung einer neuen musikalischen Syntax muß auch in Zusammenhang mit der Situation nach dem Krieg gesehen werden. Eine Weiterführung der Tendenzen der Romantik – die schließlich zum Faschismus geführt hatten – schien unmöglich, ebensowenig eine Wiederaufnahme des hindemith'schen Hantierens im Werkstoff der Töne. Der Zustand der tabula rasa, wie er sich den Komponisten um 1950 darstellte, bot die Chance für einen Neuanfang: "Die 'Städte sind radiert', frohlockte Stockhausen, "man kann von Grund auf neu anfangen ohne Rücksicht auf Ruinen und 'geschmacklose' Überreste!" (4). Zunächst wurde alles traditionell Verbürgte über Bord geworfen. In der geschichtlichen Situation des Wiederaufbaus begann man, das zertrümmerte musikalische Material neu zu organisieren. Dabei wurde grundlegende Pionierarbeit geleistet, von der wir heute noch zehren - ohne serielles Denken gäbe es weder den Synthesizer noch die CD. Durch methodische Strenge und eiserne Selbstkontrolle versuchte man sich gegen den Rückfall in die obsolet gewordenen traditionellen Sprachmuster abzusichern. Galt es doch, Grundsätzliches innerhalb des Tonmaterials und in bezug auf die Wahrnehmung zu erforschen, "um in absehbarer Zeit das Handwerk zu beherrschen und die neue musikalische Sprache so zu sprechen, wie einem der Schnabel gewachsen ist." (5)


Bezugspunkt Webern

Als Bezugspunkt kam vor allem Anton Webern in Betracht, der die Sensibilität für den Einzelton geweckt hatte und dessen Strukturproportionen als Vorstufe der elektronischen Musik gewertet wurden. In seinem Spätwerk glaubte man bereits Ansätze der seriellen Sprache zu erkennen (6). Daneben bezog man sich auch auf Claude Debussy, der in seinem Orchesterwerk Jeux von einem neuen Formkonzept ausgegangen war: dem irrationalen organisch-pflanzlichen Wuchern im Gegensatz zur funktionalen Formvorstellung der Wiener Klassik. Webern und Debussy stellen gleichsam die Extrempole einer Skala zwischen PUNKT (= punktuelle Musik) und FLÄCHE (= Feldkomposition) dar (7). Im Kontinuum ihres Überganges entfaltet sich nun das ganze Formspektrum der seriellen Musik: vom Pointillismus der Kontrapunkte (1952/53) Stockhausens bis hin zu Ligetis Klangflächenkomposition Atmosphères (1961). Auch wenn es den Eindruck erwecken möchte, als wäre der Serialismus eine unmittelbare Weiterentwicklungen der Ansätze von Webern und Debussy, so zeigte es sich, dass die Legitimation erst im Nachhinein geschah, als sich die neuen Methoden schon längst etabliert hatten. Webern und Debussy dienten in erster Linie dazu, das Neue zu verdeutlichen, worauf Stockhausen ausdrücklich hingewiesen hatte: "In Weberns Werk entdeckte ich dann später – findend, was ich suchte –, dass vieles bei ihm schon vorbereitet war" (8).


Punktuelle Musik

Als erste stilistische Ausprägung des Seriellen entwickelte sich zunächst die sogenannte punktuelle Musik. Darunter versteht man eine Kompositionsweise, deren Strukturen sich vorwiegend von Ton zu Ton vollziehen, ohne dass übergeordnete formale Konzeptionen zum Tragen kommen. Bald darauf erkannt man, dass die Selbständigkeit der einzelnen "Punkte" wieder zunichte gemacht wird, wenn diese sich permanent voneinander abzusetzen trachten. Größtmögliche Kontraste auf engstem Raum schlagen um in kontrastlose Statik, wodurch Formbildung erschwert, wenn nicht gar unmöglich gemacht wird. dass diesen Stücken dennoch Form eignet, hängt von kompositorischen Verfahrensweisen ab, die dem punktuellen Konzept entgegensteuern. In den 1952/53 entstandenen Kontrapunkten für Kammerensemble wird das punktuelle Geschehen von einem Entwicklungsprozeß überformt, der die extremen Kontraste der einzelnen Punkte hinsichtlich ihrer Klangfarbe, Dynamik und Dauer kontinuierlich zum Schluß hin ausgleicht. Zudem schliessen sich die Punkte mehr und mehr zu Ton-Aggregaten ("Melodien") zusammen, wodurch die Vereinzelung der individuellen Elemente aufgefangen wird.


Gruppenkomposition

Die von Stockhausen formulierte Theorie der Gruppenkomposition stellt die Korrektur des ursprünglichen seriellen Konzepts dar, ohne aber ins vor-serielle Fahrwasser abzugleiten. Bestimmte musikalische Eigenschaften gelten nicht mehr für Einzeltöne, sondern für übergeordnete musikalische Einheiten, "Gruppen" genannt. Dadurch wird die Artikulation komplexer musikalischer Formen wieder möglich, wie es Stockhausen in seiner programmatischen Komposition Gruppen für drei Orchester (1955-57) beispielhaft vorgeführt hat. Dieses Werk ist in engem Zusammenhang mit Stockhausens bedeutendster theoretischer Leistung – dem Aufsatz "...wie die Zeit vergeht..." (9) zu sehen, wo es ihm gelungen ist, die serielle Theorie par excellence zu formulieren. Musik wird als Zeitkunst definiert, da sich die primären musikalischen Vorgänge einerseits als Zeitfunktionen, andrerseits aber auch als Funktionen innerhalb der Zeit beschreiben lassen. Damit wurde auch der Punkt des Archimedes gefunden: der gemeinsame Nenner, unter den sich das Kleine und das Große, das qualitativ und quantitativ Gegensätzliche subsumieren lassen. Klangfarbe, Tonhöhe, Rhythmus und Form erscheinen allesamt als zeitliche Vorgänge, die jedoch in verschiedenen Zeitbereichen stattfinden. So wären Gottfried Michael Koenig zufolge zum Beispiel "fünf Minuten – eine Formeinheit, fünf Sekunden - eine Tondauer, eine fünftel Sekunde – eine rhythmische Größe, eine fünfhundertstel Sekunde – das Maß für eine Tonhöhe" (10). Die Grenzen dieser unterschiedlichen Zeitbereiche sind allerdings nicht hermetisch gegeneinander abgeriegelt, sondern in gewissen Graden durchlässig: es kann also – wie eingangs besprochen – Rhythmus in Klangfarbe umschlagen. Ein einfaches Experiment möge dies verdeutlichen. Man nehme einen Tischtennisball und lasse ihn auf eine harte Unterlage fallen. Der Abstand der Prallimpulse wird kontinuierlich kleiner, der Rhythmus immer schneller, bis sich an einem bestimmten Punkt eine Tonhöhenempfindung einstellt. Dieser Effekt tritt dann auf, wenn das Ohr den Unterschied zwischen zwei Ereignissen nicht mehr auflösen kann; zugleich entspricht dies der unteren Begrenzung des Hörbereiches. Tonhöhe erscheint ebenso wie Rhythmus als zeitliche Pulsation, die allerdings in einem Bereich stattfindet, wo sie nicht mehr als rhythmische Qualität empfunden wird.


Elektronische Musik

Diese neuen kompositorischen Möglichkeiten verlangten nach einem Medium, in dem sie sich uneingeschränkt realisieren lassen. So entstand die elektronische Musik, in der die radikale Forderung des Seriellen, alle kompositorischen Dimensionen der Ordnungsvorstellung des Komponisten zu unterstellen, erstmals verwirklicht werden konnten. Die Abneigung gegen das überlieferte, geschichtlich vorbelastete Material gipfelte im Bestreben, das Klangmaterial selbst zu >>kom-ponieren<<, anstatt auf die herkömmlichen Musikinstrumente mit all ihren traditionellen Implikationen zurückzugreifen. "Prinzipiell geht es überhaupt nicht um die Verwendung ungewohnter Klänge, sondern darum, dass die musikalische Ordnung in die Schwingungsstruktur der Schallvorgänge hinein getrieben wird, dass die Schallereignisse in einer Komposition integraler Bestandteil dieses und nur dieses Stückes sind und aus seinen Baugesetzen hervorgehen" (11). Die Klänge werden also nicht nach ästhetischen Kriterien bewertet, sondern einzig nach ihrem Funktionszusammenhang. Demnach kann jeder nur vorstellbare Schall, wenn er aus der komponierten Struktur notwendig hervorgeht, musikalisch verwendet werden.

Gerade für die Entwicklung der seriellen Techniken erwies sich die Studioarbeit als äußerst fruchtbar. Sie lenkte den Blick auf den kompositorischen Umgang mit dem Klangmaterial, das nicht mehr als objet trouvée verfügbar war, sondern erst zusammengesetzt werden mußte. Dabei stellte sich die Frage nach der Übersetzung musikalischer Verfahrensweisen in maschinelle Operationen, woraus sich die ersten Ansätze zur Programmierung von Musik entwickelten. In den Apparaturen des Studios materialisierten sich nun die abstrakten Parameter des Klanges. Der Sinusgenerator diente zur Erzeugung von Tonhöhe bzw. Klangspektrum, der Verstärker zur Regelung der Lautstärkeverlaufs, die Länge der Tonbandstücke gab die exakte Dauer eines Schallereignisse an. Daraus erwuchs schließlich die Notwendigkeit, sich beim Komponieren mathematischer Operationen zu bedienen. Da man es hier mit Geräten zu tun hatte, die mit Skalen und Reglern ausgestattet waren, spiegelten die Zahlenwerte die entsprechenden Einstellungen der Apparaturen wider. Anstelle der präzisen Klangdefinition trat die Aufzeichnung der Arbeitsvorgänge, die dadurch reproduzierbar wurden: Stockhausen veröffentlichte infolge dessen die Realisationsbeschreibung seiner Studie II (1954) – die erste "Partitur" elektronischer Musik überhaupt.

Stockhausens erste Experimente im elektronischen Studio zielten darauf ab, eine ganze Komposition einzig aus Sinustönen – den irreduziblen Bestandteilen des Klanges – aufzubauen. Neben dieser additiven Klangsynthese aus Sinusschwingungen sei noch die subtraktive Methode erwähnt, bei der aus sogenanntem "weißen Rauschen" (der Gleichzeitigkeit aller Frequenzen) durch gezielte Filterung bestimmte Spektralbereiche herausgelöst werden. In diesen beiden elektronischen Grundmaterialien zeigt sich wiederum die Dialektik des Seriellen: Rauschen und Sinuston stellen die beiden Extremwerte eines Kontinuums dar, in dem jedes mögliche Klangspektrum ideell schon enthalten ist.

Dass für Stockhausen das Serielle die Bedeutung eines kompositorischen Hilfsmittels hat, das seinem musikalischen Denken untergeordnet ist, zeigt sich in einem Werk, das seinen Rationalismus am radikalsten thematisierte: in der elektronischen Studie I (1953). Stockhausen berichtet darüber: "Ich habe einen nicht verwendeten Klang, der im Studio unter den vielen Tonbandstückchen am Boden lag, der sehr geräuschhaft war und wie ein Kanonendonner zum Karneval am Rhein klang, in meine heilige Studie hineinmontiert, und da sitzt er noch heute und macht einen fürchterlichen Krach, und niemand außer mir weiß, was er eigentlich bedeuten soll: dass er nämlich der Donnerschuß zur Geburt meiner Tochter Suja ist" (12). Dieser willkürlich einmontierte Klang bezeichnet einen Einbruch in Stockhausens Komponieren: seitdem trifft man den freien Einschub, der eigentlich nicht in die Konstruktion des Ganzen hineingehört, in vielen anderen Werken – oftmals gerade den strengsten - an.


Aleatorische Musik

Stockhausen hat in der Folge versucht, auch die Möglichkeiten des spontanen Reagierens auf das serielle Konstrukt zu systematisieren. Als Beispiel dafür sei das Prinzip des Veränderungsgrades angeführt. Dabei handelt es sich um die "äußerste Abstraktion der Reihe, indem ihre Glieder nur noch das Ausmaß beschreiben, in dem sich zwei Strukturen voneinander unterscheiden. Der Veränderungsgrad setzt voraus, dass es mehrere Parameter gibt und jeder Parameter in diskreten Schritten verändert werden kann; seine Interpretation ist frei und im wesentlichen kontextabhängig" (13). Die Entwicklung dieses Konzepts steht in unmittelbarem Zusammenhang mit der Komposition der Kontakte (1959/60) für elektronische Klänge, Klavier und Schlagzeug. Die Klangelemente werden nicht als fertig umrissene Gestalten determiniert, sondern in Reihen von Veränderungsgraden, die einen relativen Zusammenhang zwischen ihnen stiften. Der Veränderungsgrad entspringt dem Bestreben, sich im seriellen System so frei wie möglich bewegen zu können. Unter diesem Blickwinkel lassen sich auch die Wandlungen Stockhausens in den 60er Jahren begreifen, als das Prinzip der hermetischen Konstruktion zunehmends aufgeweicht wird, bis hin zum spontanen Komponieren, zur intuitiven Musik. Hier soll die zweiwertige Logik, die für Stockhausens kompositorisches Denken der fünfziger Jahre maßgebend war – also ein Denken in dualistischen Begriffspaaren – zunehmend durch "mehrwertige Kategorien" ersetzt werden.

Die Auflösung der seriellen Reihenmechanik verdankt sich zudem der Erkenntnis, dass Determiniertes ins Unbestimmbare umzukippen imstande ist, wenn die Bedingungen, unter denen die Parameter-Werte zusammentreffen, so kompliziert sind, dass der Komponist das Resultat im Einzelnen nicht vorauszusehen vermag. Was zunächst als Widerspruch anmutet, ist eine Konsequenz des Seriellen: das Umschlagen des Vorbestimmten ins Unvorhersehbare. Dies führte zur Entwicklung der aleatorischen Musik. Hier hat man es mit der Anwendung des Zufalls auf Kompositionsprozesse zu tun, die ursprünglich dem Prinzip der vollständigen Determination unterworfen waren. Das Problem des Zufalls in der Musik steht dabei in unmittelbarem Zusammenhang mit der Entwicklung der abendländischen Musikgeschichte. Die ihr innewohnende Tendenz zu immer stärkerer Determination und Ausklammerung alles Zufälligen führte in der seriellen Musik zu einer Grenze, an der das Reglement so entropisch wird wie der Zufall selbst.


Aleatorik bei John Cage

Diese Erkenntnis zeitigte verschiedene Konsequenzen. Am radikalsten ist dabei John Cage vorgegangen, der in seinen Klavierstücken Music of Changes (1951) als erster mit Hilfe von Zufallsoperationen komponierte. Hier hat nicht mehr der Komponist, sondern das alt-chinesische Orakelbuch I Ging zu entscheiden, wie die zuvor definierten Elemente miteinander verknüpft werden. Der Zufall dient Cage zur Ausschaltung des gewollten Zusammenhanges. Er verdankt seine Entdeckung weniger kompositionstheoretischen Überlegungen als vielmehr dem Wunsch, die Verfügungsgewalt des Komponisten über den Interpreten und die Klänge auszuschliessen. Diese sollten zu sich selber finden, anstatt für den Ausdruck von Gefühlen oder Ordnungsvorstellungen ausgebeutet zu werden. Ebenso wie die Serialisten möchte auch Cage alles Traditionelle aus seiner Musik ausschließen. Ging es jenen um die Entwicklung neuer musikalischer Ordnungssysteme, also um Komposition im eigentlichen Sinne, so ist seine Absicht das genaue Gegenteil – nämlich De-Komposition. Das Verfahren ist dabei ungleich simpler: da gemäß der Auffassung von Cage alles mit jedem kombinierbar ist, bedarf es keiner Anstrengungen, neue Zusammenhänge zu konstruieren. Angesichts eines solchen Anything goes wird der Zufall ideologisch verherrlicht. Dafür hat Cage auch die passende Philosophie parat, nämlich den Zen-Buddhismus, dessen Absicht darin gipfelt, das Wollen des Subjekts völlig auszuschalten.


Aleatorik bei Karlheinz Stockhausen

Ganz anders verhält es sich hingegen bei Karlheinz Stockhausen. Seine Auffassung vom Zufall wurzelt in mathematisch-statistischen Fragestellungen und ist wesentlich von den Vorlesungen des Informationstheoretikers Werner Meyer-Eppler beeinflußt worden. In den Seminaren, die Stockhausen besuchte, wurden mit Hilfe von Zufallsoperationen aus bestehenden Texten künstliche hergestellt und deren Redundanz untersucht. Solche Experimente führten zur Idee, Klänge mit Hilfe statistischer Kriterien zu komponieren (14). Stockhausen sieht in der Synthese von reiner Zufallskomposition Cage'scher Prägung und den systematisch-deterministischen Methoden der seriellen Musik den "Quell einer reichen und lebendigen neuen Musik, in der zwischen den Extremen des Unkontrollierten und des äußerst Organisierten eine weite Skala von Ordnungsgraden erlebbar würde" (15). Das anarchistische Moment des Cage'schen Zufalls wird ins serielle Konzept übernommen und so modifiziert, dass es scheinbar widerspruchslos darin eingeschmolzen werden kann. Wiederum begegnet einem die Idee des Kontinuums: die Vermittlung zwischen Ordnung und Chaos – eine Vorstellung, die Stockhausen einige Jahre später seinem Klavierstück X (1961) zugrunde gelegt hat.

Den ersten kompositorischen Beitrag zum Thema Zufall hat Stockhausen im Zyklus (1959) für einen Schlagzeuger geliefert, wo kontinuierlich zwischen dem ganz Determinierten und dem völlig Freien vermittelt wird: "die Struktur mit dem größten Freiheitsgrad ist so geformt, dass sie der ihr unmittelbar folgenden äußerst determinierten Struktur zum Verwechseln ähnlich wird." (16). Die Zufallsentscheidungen werden nicht im Inneren der Komposition selbst getroffen, sondern als Wahlmöglichkeiten für den Interpreten an die Oberfläche gekehrt. Damit soll der seriellen Musik ihre Sterilität genommen und dem Interpreten ein Bereich der "freien Entscheidung" eingeräumt werden. In solchen offenen Formen – die sich durch die mehr oder weniger freie Austauschbarkeit von Formteilen auszeichnen – manifestiert sich der ursprüngliche nicht-hierarchische und nicht-zentristische Charakter des Seriellen, indem sich die inneren Verhältnisse der Reihe auf die Großform übertragen. Im Unterschied zur entwickelnden Variation des 19. Jahrhunderts werden hier die einzelnen Strukturen nicht voneinander abgeleitet, was eine definierte Abfolge in der Zeitrichtung zwingend erforderlich macht, sondern gehen richtungslos aus einem gemeinsamen Keim hervor. Deshalb kann ihre Anordnung auch beliebig erfolgen, da es keine Konsequenz hinsichtlich der zeitlichen Abfolge gibt. Im Klavierstück XI (1956) sind 19 verschiedene Notengruppen unregelmäßig auf einem überdimensionalen Notenblatt verteilt. Der Pianist ist angehalten, absichtslos auf den Papierbogen zu schauen und mit irgendeiner Struktur zu beginnen. Ist diese zu Ende, so liest er die an ihrem Schluß notierten Angaben für Geschwindigkeit, Grundlautstärke und Anschlagform, schaut absichtslos weiter zu einer anderen Gruppe und spielt diese, den drei Bezeichnungen gemäß. Was sich dabei zuträgt, funktioniert einzig aufgrund der totalen Gleichgültigkeit der Teile zueinander und gegenüber dem Ganzen. Jedoch steht dies in völligem Widerspruch zum Kompositionsprinzip des Werkes, indem auf den unteren Ebenen des Kompositionsprozesses streng rational kontrollierte Auswahlmechanismen walten, die aber im Bereich der Form umstandslos wieder aufgehoben werden. So entpuppt sich die proklamierte Freiheit des Interpreten als Irreführung: der Pianist kann zwar die Anordnung der Teile beliebig variieren, greift damit aber nie wirklich ins Werkganze ein.


Aleatorik bei Gottfried Michael Koenig

Hingegen wendet Gottfried Michael Koenig Zufallsoperationen während des eigentlichen Kompositionsprozesses an. Im Unterschied zu Cage appelliert Koenig jedoch nicht an den Zufall als anarchistisches Moment, das zur Verhinderung von Struktur und Ordnung herangezogen wird. Für ihn stellt die "kompositorische Beherrschung des Zufalls ein zentrales Problem des gegenwärtigen Komponierens" dar (17). Koenig lehnt sowohl dessen ideologische Verherrlichung als auch das blinde Beharren auf äußerster Vorbestimmtheit ab und sieht die Lösung in der dialektischen Durchdringung beider Methoden. Dadurch kommt es schließlich zur Auflösung des Reihenprinzips: die Reihe wird durch Material-Listen ersetzt, aus denen mit Hilfe von Zufallsentscheidungen Elemente innerhalb gegebener Grenzen ausgewählt und gruppiert werden. Anstelle einer durch Reihen definierten verbindlichen Abfolge von Elementen treten mobile Konstellationen, deren Variabilitätsgrad durch verschiedene Selektionsmechanismen gesteuert werden kann. Dem Zufall kommt hierbei die Funktion eines Varianzfaktors zu, indem er aus den Möglichkeiten, die ihm der Komponist zur Verfügung gestellt hat, auswählt (18). Die Zufallsentscheidungen werden nicht auf den Interpreten abgewälzt, sondern einem neutralen Ausführenden überantwortet, "der sehr schwierigen Forderungen zu folgen vermag und durch keinen persönlichen musikalischen Geschmack behindert ist. Es handelt sich, wohlgemerkt, nicht um einen ausführenden Interpreten, sondern um eine Instanz, die imstande ist, innerhalb der Datenfelder und der Bedingungen ihrer Auswertung den allgemeinen, vom Komponisten formulierten, Vorschriften zu folgen, die das musikalische Projekt realisiert, gewissermaßen zuende komponiert. Eine solche Instanz finden wir in elektronischen Datenverarbeitungsanlagen" (19).


Entropie

Die Verwendung des Zufalls in Kompositionsprozessen ist Ausdruck einer veränderten Sichtweise unserer Welt, die sich seit Beginn des Jahrhunderts vor allem in den Naturwissenschaften abzeichnete, wo der Newton'sche Determinismus zunehmend durch statistische Zustandsbeschreibungen ersetzt wurde. Im atomaren Bereich konnte Heisenberg nachweisen, dass durch eine Unschärferelation die Messung verschiedener Zustände eines Teilchens nie exakt sein kann, wodurch eine genaue Beschreibung unmöglich ist. Damit wurde auch mit dem Köhlerglauben aufgeräumt, die Welt sei nichts als eine komplizierte Maschine, die völlig in den Griff zu bekommen sei, fände man nur ihre exakte Formel. Sie offenbart sich vielmehr als komplexes System zwischen den Bereichen des Determinierten und Chaotischen. Jedoch sollte dies weder zur ideologischen Verherrlichung des Zufalls führen, noch zum alleinigen Vertrauen auf das rational Bestimmbare. Keinesfalls darf übersehen werden, wozu der Zufall eigentlich taugt: er kann ein Mittel zur Erkenntnis und Erweiterung des empirischen Horizontes sein, niemals aber die Erkenntnis selbst.


Uneingelöste Optionen des Seriellen

Das Serielle hat sich als die einzige innovative kompositorische Methode seit Kriegsende erwiesen. Obwohl von einer Unzahl "post-serieller" Trends der Anspruch erhoben wurde, die serielle Musik überwunden zu haben, sind deren utopische Forderungen längst noch nicht eingelöst. Der Wille zur Schaffung einer originären musikalischen Syntax, auf welcher sich ein neuartiges Konzept der musikalischen Form gründen sollte, ist im heutigen Komponieren offensichtlich nicht mehr en vogue. In einer Zeit, wo ein fataler Zwang zur Nivellierung alle Aspekte unseres Lebens bedroht, erschiene es mir notwendig, dem Zustand der fortschreitenden Vergleichgültigung relevante Ordnungssysteme entgegenzusetzen, ohne deren Strukturen aus dem Wiedereinsetzen überlebter Kategorien zu beziehen.

Als uneingelöste Option des Seriellen sei zuletzt noch einmal die Frage nach dem wechselseitigen Verhältnis von Material, Struktur und Form aufgeworfen. Deren Vereinheitlichung, wie sie in der seriellen Theorie gefordert wurde, ließe ein Ideal erträumen, in dem sich die Großform einer musikalischen Komposition als Entfaltung eines einzigen, unendlich in sich differenzierten, komplexen Klanges darstellte. In diesem neuen Begriff des Klanges heben sich die unterschiedlichen Aspekte des Tonsatzes auf: Klang ist nicht mehr Objekt und damit bloßer Zustand, sondern Prozeß, also selbst schon substantiell und damit Form.

© 1989 by Karlheinz Essl / WIEN MODERN


Erschienen im Almanach "WIEN MODERN '89", hrsg. von Lothar Knessl, S. 90-97 (Wien 1989)


Anmerkungen

(1) Karlheinz Stockhausen, Erfindungen und Entdeckungen. Ein Beitrag zur Form-Genese (1961); in: ders., Texte zur Musik, hrsg. von Dieter Schnebel (Köln 1963 ff.), Bd. I, S. 228

(2) ders.,Zur Situation des Metiers (Klangkomposition), 1953; in: Texte I, S.46

(3) ders., Arbeitsbericht 1953: Die Entstehung der Elektronischen Musik; in: Texte I, S. 42

(4) ders., Zur Situation des Metiers, a.a.O., S. 48

(5) ebda., S. 48

(6) ders., Weberns Konzert für 9 Instrumente op. 24. Analyse des ersten Satzes (1953); in: Texte I, S. 24 f.

(7) ders., Von Webern zu Debussy. Bemerkungen zur statistischen Form (1954); in: Texte I, S. 75 f.

(8) ders., Gruppenkomposition: Klavierstück I (Anleitung zum Hören), 1955; in: Texte I, S. 75

(9) ders., "...wie die Zeit vergeht..." (1956); in: die Reihe, Bd. III, hrsg. von Herbert Eimert unter der Mitarbeit von Karlheinz Stockhausen (Wien 1957), S. 13 ff. – Neudruck: Texte I, S. 99 ff.

(10) Ursula Stürzbecher, Werkstattgespräche mit Komponisten (Köln 1971); Gespräch mit Gottfried Michael Koenig, S. 28

(11) Karlheinz Stockhausen, Arbeitsbericht 1952/53, a.a.O., S. 35

(12) Rudolf Frisius, Wille zur Form und Wille zum Abenteuer. Interview mit Karlheinz Stockhausen vom 24. Januar 1980; in: Texte VI, S. 147

(13) Gottfried Michael Koenig, Brief an den Verfasser vom 18. Dezember 1988

(14) Ekbert Faas, Interview with Karlheinz Stockhausen; in: Feedback Papers 16 (Köln 1978), S. 27

(15) Karlheinz Stockhausen, John Cage (1957); in: Texte II, S. 148

(16) ders., Nr.9: ZYKLUS für einen Schlagzeuger (1959); in: Texte II, S. 73

(17) Gottfried Michael Koenig, Kommentar. Zu Stockhausen: ...wie die Zeit vergeht... (...) und zur augenblicklichen Praxis aus der Sicht des Autors; in: die Reihe, Bd. VIII (Wien 1962), S. 81

(18) Siehe: Karlheinz Essl, Zufall und Notwendigkeit. Anmerkungen zu G. M. Koenigs "Streichquartett 1959" vor dem Hintergrund seiner kompositions-theoretischen Überlegungen; in: Musik-Konzepte "Gottfried Michael Koenig", hrsg. von Heinz-Klaus Metzger und Rainer Riehn (München 1989)

(19) Gottfried Michael Koenig, Serielle und aleatorische Verfahren in der elektronischen Musik (1965); in: Electronic Music Reports, No. 4 (Utrecht 1971), S. 113



Siehe auch:



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Updated: 18 Mar 2023

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