Commissioned by the Vienna Saxophone Quartet
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colorado (2005-2008) for saxophone quartet and live-electronics
Performed by students of Lars Mlekusch & Karlheinz Essl
Recorded live on 9 Mar 2013 at MUK Vienna
On its long journey from source to mouth, the river undergoes many changes: it absorbs countless smaller and larger watercourses and, depending on the geological composition of the landscape, changes its color again and again: deep blue, shimmering turquoise, cloudy brown. - Colorado" is not only the name of a river and an American state, it also means "colored" in Spanish.
During the performance of the work, the four musicians of the quartet ideally sit in the center of the concert hall; four loudspeakers surround the audience. The instruments (soprano, alto, tenor and baritone saxophones) are picked up by microphones, processed in real time by an interactively controlled computer program and emitted through the loudspeakers into the auditorium, which in turn acts as a resonating body and echo chamber.
The live electronics are based on a kind of "particle accelerator", which superimposes the sound particles recorded live by the saxophonists in a complex way by manipulating them in the time and spectral domain and swirls them around the room via a quadraphonic sound distribution system. The parameters of this "particle accelerator" are controlled by a fifth musician - ideally the composer himself - during the performance.
The initial noisy sounds are increasingly colored by the addition of multiphonics and concrete pitches and finally dissolve into colorful, moving shimmers of sound that fade away pulsating in space.
In Colorado l'individualitä tende ad essere ridotta alla soglia della udibilitä, al suo posto emerge un suono completamente dematerializzato che ormal difficilmente pua essere chiamato strumentale, completamente sciolto, fuso, come se fosse un suono vitreo.
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colorado performed at Vienna Saxfest
Music Conservatory of Vienna, 9 Mar 2013
Einführungsvortrag zum Saxophonquartett colorado
Offene Probe anläßlich des Saxfest Vienna
Konservatorium Wien Privatuniversität, 9.3.2013
Die Grundidee des Stückes: Aus einer Ursituation des Atmens entwickelt sich über viele Zwischenstufen ein Prozess, wo sich aus diesen Atemklängen nach und nach Konsonanten bilden. Später kommen dann Vokale hinzu; es entwickeln sich dann so etwas wie Wortfragmente, Worte und schließlich Sätze. Am Schluss endet das Stück in einer Art Vokalise.
Inspiriert wurde das Stück von einer Amerikareise, die ich 2005 mit meiner Familie unternommen habe. Wir sind einen Monat mit dem Auto durch die Staaten gefahren und waren auch eine Zeitlang in der Wüste von Arizona und sind dort immer wieder dem Colorado River begegnet, der unglaublich vielgestaltig ist. Ein sehr langer Fluss, der in den Rocky Mountains entspringt und in den Golf von Kalifornien in den Pazifik mündet. Auf seinem Weg fließt er auch durch das Grand Canyon, das allein schon an die 450 km lang ist. Das Besondere am Colorado River - "colorado" bedeutet "gefärbt" - das sich seine Farbe ständig ändert: von braun, dunkelblau, grün und gelb.
Die Idee des Stückes bestand nun darin, den entstehenden Klangstrom, der von den mit Mikrophonen abgenommen Instrumenten mithilfe eines eigenen Computerprogrammes entsteht, immer wieder neu einzufärben. Dies passiert nun nicht durch eine festgelegte elektronische Partitur. Das Computerprogramm fungiert hier als eine Art Instrument, dass die Klänge der Saxophone als Input benutzt, und ich damit quasi improvisiere. Dadurch, dass ich dieses Stück bereits mehrmals aufgeführt habe, hat sich diese Improvisation mehr oder weniger verfestigt. Es ensteht dadurch etwas, was sich innerhalb gewisser Grenzen reproduzieren lässt.
Das Stück besteht aus einer genau ausnotierten Instrumentalpartitur, die teilweise auch dirigiert wird. Was ich allerdings mit den Klängen mache, ensteht durch Intuition, aus dem Moment, im Zusammenspiel mit den Musikern. Dabei ist es so, dass der elektronische Part derzeit ausser mir von keinem anderen aufgeführt werden kann.
Nun noch ein Wort zur Elektronik: Mir geht es generell nicht bloß um neue Klänge. Die sind für mich nicht so spannend, da sie ohnehin schon da sind. Mich interessieren vielmehr die neuartigen kompositorischen Möglichkeiten. Hier werden Klänge aus dem Ensemble in eine Art Teilchenbeschleuniger eingespeist, ähnlich wie in einem Kernreaktor, wo atomare Partikel - in meinem Fall Klangpartikel - extrem beschleunigt werden, wodurch hohe Energie entsteht, die zur Verschmelzung der Partikel führt. Dabei entstehen nicht nur neue Klänge, sondern auch neuartige kompositorische Strukturen. Ständig kommt es hier zu Rückerinnerungen und Vorausprojektionen. Das ist alles stark selbstreferentiell, ähnlich wie bei einem Fraktal, wo die gleichen Elemente immer wieder erscheinen, allerdings aber in immer anderen Konstellationen. Und dabei weiß man nie so genau, was nun das Gespielte und das Elektronische ist: Das Ganze verschmilzt zu einem einzigen großen Klangstrom.
Probe von colorado mit Studierenden von Lars Mlekusch
Konservatorium Wien Privatuniversität, 21 Jan 2008
Courtesy Society For The Documentaton Of Arts
Fabien Girard: "Wie sehen Sie nun die Zukunft Ihres Stückes? Wie soll es weiterleben, wenn nur Sie als Elektroniker es spielen können?"
Karlheinz Essl: Darüber habe ich mir natürlich schon Gedanken gemacht. Ich stehe aber auf dem Standpunkt, dass es auch Musik geben soll, die vergänglich ist und die nicht unbegrenzt weiterleben kann, die gebunden ist an Situationen und auch an Personen. Damit habe ich auch überhaupt kein Problem. Das Stück wird vielleicht immer nur mit meiner Mitwirkung aufgeführt werden können; vielleicht gibt es später einmal jemanden, der das statt meiner machen kann. Aber selbst wenn es in 10 oder 15 Jahren nicht mehr gespielt werden kann, würde mir das auch nichts ausmachen.
Es gibt hingegen auch andere Werke, die ich als Partituren notiert habe und auch reproduziert und interpretiert werden können. Besonders aber interessiert mich die vergängliche, die ephemere Musik; jene Musik, die aus dem Moment entsteht durch Improvisation aus der Magie des Augenblicks, aus dem Zusammenspiel von Musikern und Menschen, die zusammen etwas Gemeinsames gestalten. - colorado liegt irgendwo dazwischen - ein Hybrid zwischen Komposition und Improvisation.
Frage aus dem Publikum: "Wenn ihr Werk sich zwischen diesen beiden Polen bewegt, kann es dann jedes Mal etwas anderes sein? Ist es dann aleatorisch?"
Karlheinz Essl: Die Partitur ist zwar genau ausnotiert und die Musiker spielen den Notentext, ohne zu improvisieren. Die Improvisation besteht aus dem, was ich mit den Klängen veranstalte. Und das kann sehr unterschiedlich sein. Ich habe das Werk bereits dreimal mit dem Wiener Saxophon-Quartett gespielt, und jede Aufführung war völlig anders. Für das Projekt hier am Wiener Konservatorium habe ich den elektronischen Partitur etwas umgearbeitet. Trotzdem waren zwischen den beiden Proben gestern und heute große Unterschiede zu hören. Zudem auch, weil die Musiker und ich als Team zusammengewachsen sind und das Stück gemeinsam weiterentwickelt haben. Und das ist schön, dass dies Stück wächst und sich ständig verändert.
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Updated: 25 Mar 2024