Karlheinz Essl

Portrait KHE

WebernUhrWerk

Algorithmic music for computer-controlled Carillon
2005 - 2020

Contemplating the anniversary of Anton Webern's death


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Audioguide (deutsch)

Audioguide (english)

By courtesy of Anton Webern Weg Mittersill


WebernUhrWerk (Webern' Clockwork) was created as an open-air sound installation in the town square of Mittersill to commemorate the 60th anniversary of Anton Webern's death. It was first presented on September 15, 2005 during the 10th Mittersill Composers' Forum. Since then, this piece can be heard almost every year on September 15th in Mittersill, as well as in other cities around the world.

As the name suggests, the clockwork is actually a computer-controlled carillon that chimes every quarter of an hour like a church bell. It is based on the twelve-tone row of Webern's Opus 32. But it's not exactly a copy of the original, because Essl's algorithmic generator creates an infinite number of different variations in real time. Thus it never repeats itself.

As a tribute to Anton Webern, the clockwork has been in operation every year on the day of his death. Since the fall of 2018, it has become a permanent installation in public space. Every Saturday from 10 am to 12 pm it can be heard on the town square in Mittersill.



Anton Webern

Anton Webern, 1940 (Foto: Ludwig Zenk)
Originalabzug im Besitz von Karlheinz Essl

  Am 15. September 1945 wurde Anton Webern in Mittersill, wohin er sich vor der herannahenden Roten Armee geflüchtet hatte, von einem amerikanischen Besatzungssoldaten in vermeintlicher Notwehr erschossen. Damit endete das Leben eines der einflussreichsten Komponisten der Moderne auf unfassbare und tragische Weise.

60 Jahre später - am 15. September 2005 - fand im Rahmen des 10. Komponistenforums Mittersill eine Gedenkveranstaltung für Anton Webern statt. Aber 14 Uhr wurde der öffentliche Raum der Salzburger Kleinstadt mit musikalischen Aktionen der dort anwesenden KomponistInnen und MusikerInnen erfüllt.

Für diese Veranstaltung hat der österreichische Komponist Karlheinz Essl (der 1989 über das Das Synthese-Denken bei Anton Webern promoviert hatte) seine Klanginstallation WebernUhrWerk geschaffen, die während der ganzen Aktion zu hören war und deren zeitlichen Ablauf wie ein Carillon markierte: Alle Viertelstunden erklang von einem hoch über der Stadt gelegenen Punkt eine kurze musikalische Phrase, die - von einem eigens dafür entwickelten Computerprogramm generiert - als musikalisches Glockengeläute vernehmbar sein wird: Totenglocken für Anton Webern...

Diese öffentliche Gedenkaktion findet alljährlich am 15. September in Mittersill statt. Da die Software ist seit Anfang September 2006 im Internet erhältlich ist und frei heruntergeladen werden kann, besteht die für jeden die Möglichkeit, seinem Webern-Gedenken Raum zu geben. Weltweit mag dieses WebernUhrWerk erklingen, wobei die verschiedensten Präsentationsformen denkbar sind: als subversive Aktion im öffentlichen Raum, in Form einer Installation oder im privaten Bereich.


Ausgangspunkt für diese Arbeit ist jene Zwölftonreihe, die Webern seinem in Enstehung begriffenen op. 32 (vermutlich einem Konzert) zugrunde gelegt hat:

In dieser höchst symmetrischen Reihe stößt Webern, wie Ernst Krenek 1968 angemerkt hatte (1), "bis an die Grenzen der dodekaphonen Möglichkeiten vor (...) - wir haben es hier mit einer Tonreihe zu tun, die lediglich aus vier Segmenten der chromatischen Tonleiter besteht. Webern hatte sich schon vorher bis zu dem Punkt gewagt, von dem es keine Umkehr gibt, und hier, am nicht vorzusehenden Ende seiner Laufbahn, nähert er sich wieder dieser äußersten Grenze".


WebernUhrWerk_4.0

  In dem von Karlheinz Essl entwickelten Kompositionsalgorithmus (implementiert in der Programmiersprache Max/MSP unter Verwendung der Realtime Composition Library) wird diese Reihe als Steuermechanismus benutzt, um aus ihr selbst verschiedenste Varianten abzuleiten. Die Webern'sche Reihe fungiert zugleich als ihr eigenes Permutationsprogramm und wird dabei zum genetischen Code des Stückes. Der daraus gewonnene Notenfluss wird auf einen symmetrischen Zwölftonakkord projiziert, so dass jedem Reihenton eine definierte Tonhöhe (mit fixierter Oktavlage) zugewiesen wird:

Diesem völlig determiniertem Mechanismus der Tonhöhengenerierung wird ein zufallsbasierter Rhythmus-Generator zur Seite gestellt, der vier verschiedene Modelle - für jede Viertelstunde ein anderes - erzeugt:

listen... Ganze Stunde: komplexes Gefüge aus Akkorden, polyphonen Strukturen und Vorschlagsfiguren

listen... Viertel Stunde: schnelle Figuren

listen... Halbe Stunde: gemessene Akkorde - "wie Totenglocken"

listen... Dreiviertel Stunde: Durchdringung von Akkorden und raschen Figuren

Jedes dieser Modelle ist basiert auf einer genau ausbalancierten Wahrscheinlichkeitsverteilung, die einerseits eine wiedererkennbare charakteristische Gestalt erzeugt, gleichzeitig aber für ausreichende Variabilität und Überraschungen sorgt: Jedes Modell klingt anders, es gibt keine Wiederholungen.


Eine exakt notierte Ausarbeitung dieses Kompositionsalgorithmus fand seinen Niederschlag im WebernSpielWerk für Toy Piano, das von Isabel Ettenauer am Abend des 15. September 2005 in der St. Anna Kirche in Mittersill uraufgeführt wurde. Der durchdringende Charakter des Carillons, der am Nachmittag den ganzen Ort erfüllt hat, wird reduziert auf die "arme" Klangwelt eines Spielzeugklaviers, dessen durch angeschlagene Metallstäbe erzeugter Klang dem einer Glocke ähnelt - jedoch viel zurückhaltener und intimer ist.

Anmerkungen

(1): Anton von Webern: Sketches (1926 - 1945), hrsg. von Hans Moldenhauer, mit Kommentaren von Ernst Krenek. (Carl Fischer: New York, 1968)


Statements

Karlheinz Essl über die Bedeutung Anton Webern für seine kompositorische Entwicklung
Interview für Radio Ö1, 14. Januar 2014


Karlheinz Essl zur Entstehung des WebernUhrWerks
Haus der Musik, 10 Oktober 2013 (Wien)


Articles

Markus Wintersberger, Andrea Nagl et al: Intermedia Motion Tracking in AR/VR – On Immersive Storytelling and Choreographic Patterns
in: Proceedings of The Kyoto Conference on Arts, Media & Culture 2021



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Updated: 15 Nov 2023

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