Kühlung im Strom der Daten und Töne
Installationen im Klangturm St. Pölten bescheren literarische und musikalische Genüsse
(Reinhard Kager)
in: Der Standard (14./15./16.8.98)
Sankt Pölten - "Auch wenn wir die Hundstage lieben - das Nacktgehen, das Baden, den Vorgenuß Durst -, laßt uns nicht vergessen, daß wir Kältegeschöpfe sind." Bei 36 Grad Außentemperatur und einer noch viel größeren Hitze im bloß karg umhüllten, glühend-stählernen Klangturm fällt es schwer, dem Aufruf Andreas Okopenkos noch Glauben zu schenken: Ein süffisantes Bonmot aus dem Lexikon-Roman, dessen Ironie durch die erschwerten Rezeptionsbedingungen dieser Tage noch verstärkt wird.
Wer das mit neuen Klanginstallationen bestückte Wahrzeichen Sankt Pöltens besuchen möchte, sollte wohl das Ende der Hundstage abwarten - bis zum 30. August ist ohnehin noch Zeit. Dann läßt sich's vielleicht gemütlicher spielen mit den Versatzstücken von Okopenkos 1970 entstandenem Lexikon-Roman, den der Komponist Karlheinz Essl elektronisch aufbereitet und mit seiner eigenen Lexikon-Sonate vernetzt hat.
Jedesmal, wenn auf dem Laptop in der obersten Klangkugel des Turms eines der unzähligen, lexikalisch geordneten Stichworte angeklickt wird, aus dem dieser urige Hyper-Link-Roman zusammengesetzt ist, ertönt nämlich auf der darunter befindlichen Klangebene ein Klavier. Aus Segmenten der Klavierliteratur der gesamten Musikgeschichte besteht Essls Lexikon-Sonate, die sich, gesteuert via Computer, beim Aufsuchen neuer Stichworte aus Okopenkos Roman schlagartig verändert. Ein lustvoll-zielloses Surfen durch die Auen der Donau, die dem Benutzer auf dem Bildschirm anhand von Keywords, wie eben Hundstage, den Weg weisen.
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Updated: 15 Aug 1998