Wilhelm Sinkovicz

Karlheinz Essl komponiert bei der „Loisarte“ live!

2012


Portrait Karlheinz Essl © 2011 by Maurizio Maier

Foto: © 2011 by Maurizio Maier
  Ein Festival, das auf sich hält, beschäftigt einen „Composer in Residence“. Was ein solcher können muss, beweist der Wiener Avantgarde-Meister am kommenden Wochenende in Langenlois.

Ein „Festival für zeitgenössische Musik und Literatur“ im pittoresken Ambiente des Loisiums – unter Einschluss der unterirdischen „Kathedrale“: Intendant Christian Altenburger bat wieder Musikantenfreunde, ein reiches Programm zu gestalten. Maria Happel, Nicole Heesters und Erwin Steinhauer lesen Texte von Virginia Woolf, Daudet und Zweig.

Der „Composer in Residence“ lässt sich literarisch überraschen: Karlheinz Essl, immer schon von den Möglichkeiten der jeweils jüngsten Techniken der Klangerzeugung fasziniert, kultiviert mit Agnes Heginger in seinem Duo OUT OF THE BLUE die Kunst der „Livevertonung“.

Das funktioniert, wie der Komponist im Gespräch betont, „ohne vorherige Absprachen. Ich weiß nicht einmal, welches Gedicht Agnes jeweils auswählen wird. Alles passiert in einem äußerst konzentrierten Prozess des Aufeinanderhörens und des spontanen Reagierens aufeinander. Was dabei entsteht, ist im wahrsten Sinn des Wortes eine kollektive Echtzeitkomposition. Ein großes Wunder, das man nicht beschreiben, nur live erleben kann.“

Diesfalls kommenden Sonntagvormittag im Loisium. Festival-Chef Altenburger wird Donnerstag im Rahmen des Konzertes des Arnold Schönberg Chors unter Erwin Ortner ein Essl-Werk für Violine Solo musizieren, das wiederum mit Improvisation gar nichts zu tun hat. Zu absence meinte Uraufführungsgeiger Ernst Kovacic: „Essl ist ein Komponist, der sich sehr intensiv mit dem Instrument auseinandersetzt und genau weiß, wofür er schreibt. Wenn er zum Beispiel das, was die rechte Hand zu tun hat, getrennt von der linken notiert, so ist das nicht nur ein geistiges Experiment wie bei Cage, sondern eine durchaus praktikable, sinnvolle Bereicherung der Notationsweise.“

Der Komponist, als einstiger Kontrabass-Student selbst, wie er sagt, „verhinderter Streicher“, ergänzt: „Das Werk ist „extrem genau notiert, oft auf mehreren Systemen gleichzeitig, um die verschiedenen Spielparameter (Bogenhand, Griffhand, Bogenposition, Spielsaiten etc.) übersichtlicher zu notieren. Das schaut vielleicht verrückt aus. Aber das klangliche Ergebnis hätte man anders nicht erreichen können.“

Alles von und über Essl steht im Internet

Da ist von improvisatorischer Freiheit für die Interpreten also keine Rede. Freilich: „Jede Interpretation profitiert davon, dass die Musiker nicht nur Noten abspielen, sondern den kompositorischen Gesamtkontext besser verstehen. Das wiederum können Improvisatoren oftmals besser, weil sie selbst schöpferisch (und nicht nur reproduzierend) tätig sind.“

Als Nutzer avancierter Techniken macht sich Karlheinz Essl selbstverständlich auch das Internet dienstbar. Anders als viele Kollegen ortet Essl im Netz weniger urheberrechtliche Gefahren als Chancen. „Videos von meinen Kompositionen, wenn sie online stehen, helfen potenziellen Interpreten meiner Werke. Das erspart mir oftmals, selbst bei Proben und Aufführungen anwesend zu sein. Meine Partituren stelle ich mittlerweile gratis zum Download auf meine Website (www.essl.at). Dadurch habe ich bei Weitem mehr Aufführungen als früher – auf der ganzen Welt! Die Kosten kommen über Aufführungstantiemen, Einladungen und Aufträge wieder herein...“

in: DIE PRESSE (Wien, 20 Mar 2012)



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Updated: 24 Dec 2021

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