Kleine Zeitung vom 4.1.1997 | Kultur |
Schlüsselerlebnis. Die obligaten Klavierstunden der Kinderzeit lagen damals bereits hinter ihm, ebenso der pubertäre Wechsel von Klavier zur E-Gitarre ("zum Entsetzen meines Vaters"), die Zeit, als Idole wie die "Doors" oder Jimi Hendrix Hörgewohnheiten prägten. Während der Kärntner Vater sich mehr und mehr für die bildende Kunst begeisterte, entdeckte der Sohn die Musik für sich. Bald lief die Schule nebenbei; das Singen im Chor, das Spielen in zwei Bands, die allabendlichen Proben wurden zur Hauptsache. Schlüsselerlebnis war für Karlheinz Essl mit 16 die Begegnung mit den Schriften des Komponisten Karlheinz Stockhausen. Die Arbeiten seines Namenskollegen elektrisierten ihn nachhaltig, bewirkten die Abkehr von der Popmusik direkt hin zur elektronischen Musik.
Heimlich. Die Eltern hörten zu, unterstützen aber (noch) nicht. Studiert werden sollte jedenfalls "etwas Ordentliches". Während Essl junior im Sommer im Betonwerk der Eltern jobbte, übte er am Abend mit höhersemestrigen Musikstudenten bereits Tonsatz. Während er offiziell das Latinum fürs angepeilte Jusstudium nachmachte, hatte er schon längst die Aufnahme an die Musikhochschule geschafft, studierte er heimlich Musikwissenschaft, Komposition, Kontrabaß. Mit einer Handvoll Zeugnissen überrumpelte er seinen Vater, der nun gegen das Musikstudium nichts mehr einwenden konnte.
Die Hypotheken, Namensgleichheit mit dem Vater und Status als erstgeborener Sohn und Firmenerbe, waren abgeschüttelt: "Diese Last hat mir mein lieber Bruder Martin schon früh abgenommen", erinnert sich der Komponist schmunzelnd an das kaufmännische Interesse seines Bruders, das ja auch das Placet des Vaters erleichtert hatte.
Zu seinen kompositorischen "Vätern" zählt Essl Anton Webern (über den er auch dissertierte) und Karlheinz Stockhausen, György Kurtag, Giacinto Scelsi, John Cage und John Dunstable. Nach den Studien bei Alfred Uhl, Dieter Kaufmann und Friedrich Cerha wurde der Musiker 1987 vom Konzertpublikum entdeckt: Den Uraufführungen im Wiener Konzerthaus nach einem Kompositionswettbewerb folgten Teilnahmen bei Festivals wie "WIEN MODERN", bei dem er 1989 erstmals im Programm aufschien, dem Musikprotokoll in Graz, bei dem ihm Peter Oswald 1990 erstmals Uraufführungsehren zuschanzte, den Wiener Festwochen oder den Darmstädter Ferienkursen für Neue Musik. Auch jenseits der Grenze erklangen bald Name und Werk des Wieners: Pierre Boulez holte ihn mit Kompositionsaufträgen an sein Pariser Institut IRCAM, in Darmstadt wurde er "Composer in Residence", diverse Projekte führten ihn nach Den Haag und Kopenhagen.
Intendant. Heute lebt der 36jährige Familienvater (zwei Söhne, 5 und 3) in Klosterneuburg, unterrichtet am Studio for Advanced Music and Media Technology der Anton Bruckner Privatuniversität in Linz und betreut eine Konzertreihe im Schömer-Haus. Der Intendant über die fünf Konzerte, die er pro Jahr im kunstvollen Firmensitz programmiert: "Ich versuche Komponisten zu gewinnen, die ihre Musik speziell auf diesen Raum hinschreiben."
Sein nächster Auftritt steht im Sommer bevor: Bei den Salzburger Festspielen ist ihm im Rahmen der Reihe "Next Generation" ein Komponistenporträt gewidmet. Zwei Klanginstallationen für den Salzburger Mirabellgarten - ein Klangrausch aus acht Lautsprechern und eine Endlos-Sonate auf einem Computer-Klavier - schrieb er schon dafür. In seinem Komponierkammerl inmitten der Bilder in Klosterneuburg.
in: Kleine Zeitung (Graz 29.12.1996 / Klagenfurt 4.1.1997)
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Updated: 7 Jan 2018